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mercredi
août052009

Anti-islamische Agitatoren missbrauchen Geographie der Armut: Ulfkotte 5/8 [DE]

Aus Motiven die hier nicht weiterer Erörterung brauchen, folgte ich seit dem Jahre 2007 den deutschen Spinndoktor Udo Ulfkotte. Was ich über ihn und seinen Auftraggebern, Freunden und Nachahmern zu sagen hatte, findet man auf HUIBSLOG auf der Ulfkotte Thema Seite.

Folgendes, ist ein leicht überarbeitetes Teil meiner Buchbewertung des letzten Buches des Herrn Ulfkottes: "Vorsicht Bürgerkrieg". Das ganze Artikel kann man lesen auf HUIBSLOG: Vorsicht! Bürgerschreck! (usw.)

Ausgegrenzte Stadtviertel, Gewalt, Ökonomie und "Sicherheitsmanagement"

Bei der notwendigen Wiederlegung von Ulfkottes Sammelsuria von halb- oder falsch verstandenen Meinungen, hilft es enorm, dass er auf den von ihm explorierten (oder besser gesagt: zwecks Angstschürung ausgebeuteten) Sachgebieten, kein Sachverständiger ist. Sogar dort, wo er behauptet, es zu sein (Betriebssicherheit, Geheimdienste, Islam), wird von Sachkollegen oft ernsthaft daran gezweifelt.

Jetzt wagt er sich aber auf einem Felde, worauf ich mich legitimerweise Sachverständiger nennen darf. Seit vielen Jahren arbeite ich als europäischer Experte der Regenerationspolitik ausgegrenzter Stadtquartieren. Ich war in mehreren EU-Ländern seit 1981 tätig. Nicht wie Politiker oder wie Wissenschaftler, sondern immer in einer so eng möglicher Zusammenarbeit als Berater, mit den betroffenen Gruppen, den zuständigen lokalen Autoritäten und Diensten. Auch mit Polizei und Justiz.

Es ist meine Erfahrung dass weder Ort und Zeitpunkt, noch die Wahrscheinlichkeit, von (gewalttätigen) Zusammenstossen in ethnisch gemischten, von Arbeitslosigkeit, Armut, Kriminalität, usw. gekennzeichneten Stadtteilen, aus allgemeinen Trends wie Ulfkotte sie zitiert, vorauszusagen seien. Es gibt so viele Faktoren die dabei eine Rolle spielen könnten.

Von allgemeinen ökonomischen Trends, wie Ulfkotte die im Buche aufführt, kann man nur sagen, dass die gegenwärtige, voraussichtliche, Verärmung der Unter- und Mittelklassen, in der Geschichte meistens NICHT zu Aufstände geführt hat. Im Gegenteil: Grössere Perspektivlosigkeit führt zu großerer Lethargie.

Kinder-Armbrust. Ulfkotte Tipp zur Bewaffnung von Bürgern in dem Bürgerkrieg. (c) Trollenshop.Aber es gibt natürlich Ausnahmen. Zum Beispiel, wenn opportunistische Journalisten (wie Ulfkotte) dem autochthonen Teil der Bevölkerung davon überzeugen können, dass die Verschlechterung ihrer Lebensumständen hauptsächlich Schuld der Immigranten sei, und dass es teuflische Verschwörungen von düsteren Mollahs (zusammen mit linken Dhimmis) gäbe, die es mit germanischen Pfeil-und-Bogen entgegenzutreten gilt, ja, dann werden Krawallen und Zusammenstösse wahrscheinlicher. (Über von Ulfkotte mit Armbrust gegen dem Moslem bewaffneten Bürgern werden wir nächstens noch viel Spaß haben. Versprochen!)

Aber die Zusammenstösse ereignen sich dann des öfteren NICHT in den Armutsgebieten selbst, sondern in den Gebieten und Gegenden, wo es keine- oder wenig Immigration gibt. Es ist in wissenschaftlichen Untersuchungen seit den siebzigern Jahren immer wieder, und überall in Europa und den V.S., festgestellt worden, dass die Angst und der Fremdenhass nicht dort am stärksten sind, wo die Bevölkerungsgruppen real zusammenleben, sondern dort wo man fürchtet (zu Recht oder zu Unrecht), dass Immigranten hereinkommen möchten. Diese beängstete Mittelschichten, nicht die Unterklasse, stellen das Publikum Ulfkottes dar.

(Kleines Teil der riesengroße Deutschlandkarte mit "Brandherden". Karten mit nach Armutskriterien selektierten Stadtvierteln sind nicht "geheim". Es gibt eine Menge davon. Obenstehende Karte ist nur deshalb einzigartig, weil Ulfkotte Feuerbilder inseriert hat, wovon der Grösse nichts anderes anzeigt als die Anzahl von Armutsgebieten in der jeweiligen Stadt. Das könnte ein Kind auch verfassen. Die Karte abstrahiert von den jeweiligen Bevölkerungszahlen, der ethnischen Zusammensetzung und der Intensität der Spannungen (interethnisch bzw. nach Aussen gerichtet) der Stadtquartieren. Das Copyright dieses Produkts: (c) 2000 Kopp Verlag.)

Die geographische Unbestimmtheit der jeweiligen zukünftigen "Kampfplätzen" (Ulfkotte) ist der Grund, wofür die dem Buche beigefügte Deutschlandkarte "mit allen bürgerkriegsgefährdeten Gebieten" so lügenhaft und irreführend ist. Jeder Polizeifachmann weiss, dass öffentliches Sicherheitsmanagement ungeteilt und flachendeckend sein soll. Man bereitet sich auf allen denkbaren Eventualitäten, überall, in jeder Jahreszeit vor. Also auch auf Zusammenstössen in den von Ulfkotte genannten Gebieten. Es ist irreführend und perfide, dass Ulfkotte das Letzte immer wieder isoliert und als Beleg für seine Theorie der Bürgerkriegsvorbereitung "von Oben" zu verwenden versucht.

Der Autor (und seine unspezifizierte Quelle) hat einfach das Übersicht der städtischen "Problemkumulationsgebieten", wie es in Deutschland, und auch in den meisten andern EU-Staaten regelmäßig ausgearbeitet wird, kopiert, und mit suggestiven Flammen bestückt.

Click to enlarge. Beispiel einer nationalen Karte mit Armutsvierteln. (Ministerium VROM, Den Haag)Dergleiche Übersichten sind nützlich für die Verteilung von europäischen Co-Investitionen in hinterbliebenen Regionen. An der Auswahl liegen keinen wissenschaftlichen Kriterien zu Grunde, aber man versucht so ehrlich wie möglich, quantifizierbaren Kriterien, wie Sterbensälter, Einkommenshöhe, etnischer Herkunft der Bewohner, Quadratmeter Wohnraum pro Person, Arbeitslosigkeitsfrekwenz, usw. zu vergleichen mit andren Gebieten.
Die Art und Stärke der Verknüpfung der Problemen, die sehr wichtig ist für die Ausarbeitung von lokalen Emanzipationsstrategien, kann nur durch lokaler (beschreibende) Analyse festgestellt werden. Dasselbe gilt für die objektive und subjektive Verunsicherung und Neigung zu Gewalt. Dergleiche Analysen bestehen und sind alles weniger als geheim. Aber sie werden von Ulfkotte nicht verwendet.

Ulfkottes monokausale Methoden

Im Grunde ist das Buch basiert auf einem primitiven ökonomischen Determinismus: "Wo Armut wächst, wird es brennen." Schon Karl Marx selbst warnte immer vor ökonomischem Determinismus und mechanischem Weltbild. Ulfkottes Determinismus war immer primitiv, monokausal und karikaturartig. Aber ohne zu blinzeln, hat er seit dem Jahre 2006 von einem Determinismus zum Andren gewechselt. War November 2006 noch das angebliche Eingreifen von "hunderten" Mossad-Agenten in den französischen "banlieues" Ursache der Aufständen der muslimischen Jugend gegen Innenminister Sarkozys "Kärcher" Provokationen. Heute sind es "elitäre" Verschwörer die in geheimen Runden beschlossen hätten einen riesengrossen ökonomischen Kladderadatsch auf das "gemeine Volk" loszulassen. In 2006 waren es angeblich israelische Staatsinteressen und Verschwörung met der (halb-)jüdischen Minister mit dem Ziel, Muslime bei den Franzosen gehasst zu machen, die hinter den Krawallen steckten. Mehrere Geheimagenten hätten die Reise nach Hessen gemacht, um an Dr. Ulfkotte den Sachverhalt zu erzählen.

Heute gilt blosses Klassendeterminismus. Ulfkottes neue exil-iranische Rätekommunistische Kameraden (Mina Ahadi) würden subtiler vorgegangen sein...

Aber es ist noch schlimmer als dumme Monomanie. Ulfkottes Hauptzeuge, der kalifornische Futurologe Celente, prophezeit keinen "Aufstand der Horden", wie Ulfkotte ihn sagen lässt, sondern eine Welle von gewaltlose zivile Ungehorsamkeit der Mittelschichten: Steuerstreiks, usw. Die Menschen die so arm sind dass es nichts mehr bei ihnen zu versteuern gibt, werden, so Herr Celente, nicht aufständisch werden, sondern sehr beschäftigt sein mit Schrebergärten, um sich billiger nähren zu können. Das war während der Krise der Dreißigern Jahren auch so. Ob er damit Recht hat, oder nicht, ist hier nicht wichtig.

Wichtig ist, dass Ulfkotte entweder seine Quellen gar nicht gelesen oder verstanden hat, oder uns für so dumm hält, dass wir nicht wüssten, dass Fußnoten zum Beleg der Darstellungen im Buche dienen und nicht zur Schmückung von Quatsch und Lügen.

Es gibt, nicht nur in Deutschland, eine Menge von opportunistischen Autoren, Kommentatoren und Agitatoren, die objektiv die mühsame Arbeit der Stadtquartier-Emanzipation sabotieren. Im Fall Ulfkotte, wird auf dem Umweg von amerikanischen CIA-Analysen zweifelhafter Qualität (es handelt sich um Perspektiven des jahres 2020...) eine "Verschwörung" von Viagra-besetzten "Eliten" unterstellt, die den Weg freigibt zu flachendeckenden Krawallen und Aufständen.

Wie wir oben schon meldeten: Eventuelle Aufstände, Rebellionen sind nicht geographisch vorauszusagen. Aber die blösse Anzeige eines Stadtquartiers in einer Kontext wie die Ulfkottesche, macht jede emanzipatorische Aktion schon schwieriger. Menschen die in den angedeuteten Stadtteilen wohnen, werden diskriminiert von Arbeitgebern, Versicherungen und Krankenkassen.

Was gibt es dagegen zu tun? Wenig. Man darf nur hoffen, dass die lokal verantwörtliche Gewählten, Funktionäre und Arbeitsgruppen ihre langjährige Arbeit fortsetzen und am Ende Leute wie Ulfkotte in der Praxis darsetzen als dasjenige was sie sind.

 

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